Bericht
über unsere Reise
in den Irak im Januar 2003
Verfaßt im Februar 2003
Am 05. 01. 2003 traf sich unsere Gruppe in Amman in der jordanischen Hauptstadt.
Wir waren 11 Freunde, zwei aus dem Raum Frankfurt, einer aus München,
zwei aus Wien und sechs aus Nürnberg.
Das Gruppenvisum für den Irak bekamen wir in Amman mit einem Tag Verspätung,
doch dann war es soweit. Ein goßer Bus mit 45 Plätzen war von Bagdad
via Damaskus in Amman eingetroffen, um uns in den Irak zu fahren.
Am 07. 01. gegen 14.00 Uhr ging es los, mit an Bord einige Flaschen Arrak,
um die kalte Nacht zu überstehen; 16 Stunden bis Bagdad, davon 4 an der
Grenze. Die Kontrollen verliefen wie in ,,guten alten" DDR-Zeiten, Bus
ausräumen, Koffer und Taschen aufmachen (in der Kälte im Freien),
Fotos und Videokameras eintragen lassen und Geld deklarieren, jeden Cent.
Das allein dauerte fast eine Stunde.
Dann hatten wir auch das geschafft. Unser deutschsprachiger Reiseleiter Adel
wartete hier auf uns, und wir speisten erst ´mal in einer Fernfahrerkneipe
zu Nacht. Das ließ uns die restlichen Stunden leichter ertragen, und
kurz vor Sonnenaufgang erreichten wir todmüde Bagdad mit märchenhaft
erleuchteten Moscheen. Wir hatten 970 km zurückgelegt und freuten uns
auf ein paar Stunden Schlaf.
Im 5-Steme-Hotel Melia Mansour bekamen wir sogleich die Auswirkungen des Embargos
zu spüren. Der Aufzug für 10 Personen war schon lange nicht mehr
gewartet worden und streikte schon bei Vieren. Der Techniker schlief noch
den "Schlaf der Gerechten". Wir konnten erst nach einiger Zeit befreit
werden, um dann beim zweiten Aufzug dasselbe gleich nochmals zu erleben.
Kurze Zeit zum Ausruhen, dann ab zum Aidstest. Nur Frauen ab 55 und Männer
ab 60 werden davon verschont!
Unsere Stadtbesichtigung begann dann mit der goldenen Moschee von Kazimain,
wo wir Frauen erste Bekanntschaft mit dem Tschador machen durften. Das war
aber nur in den großen Moscheen nötig, sonst hatten wir keine Kleidervorschriften,
obwohl der Anteil der strengen Schiiten über 65% beträgt. So gehören
Bagdads Frauen auch zu den fortschrittlichsten der arabischen Welt. Sie besuchen
Universitäten, sind Ärztinnen, Lehrerinnen, Ingenieurinnen und Pilotinnen,
haben höchste Ämter. Es sitzen derzeit 16 Frauen in der Nationalversammlung.
Bagdad, eine Stadt mit riesiger Ausdehnung, am Tigris gelegen, wirkte
auf uns wie jede andere Großstadt im vorderen Orient mit viel Verkehr,
vielen Menschen und vielen Märkten, wenn nicht an jeder Straßenecke,
an fast jedem Haus ,,Er" über sein Volk wachen würde, in zum
Teil unvorstellbar kitschigen und theatralischen Posen. Einmal hält "Er"
den Felsendom von Jerusalem in seiner blutenden Hand und dicke Tropfen fallen
zu Boden oder er steht auf einem Berg von Menschen und reckt den Arm mit einem
Gewehr gen Himmel. Die Menschen haben Angst vor ,,Ihm". So hat uns unser
Führer gebeten, Saddam Husseins Namen in der Unterhaltung nicht direkt
auszusprechen.
Viele Jahrhunderte stand der Irak unter der Herrschaft verschiedenster Völker
und wurde von ihnen geprägt wie er seinerseits die Kultur dieser Volker
prägte: Sumerer, Assyrer, Babylonier, Perser, Parther, Römer, Byzantiner,
Mongolen, Mamluken, Türken und Briten, um nur einige zu nennen, hinterließen
ihre Spuren im Irak.
Bagdad, oft umkämpfte Hauptstadt des Reiches wurde zum Spiegel dieser
unruhigen Zeiten. Sie erlebte die große Blüte, die größten
Plünderungen und Bombardierungen. Sie war 500 Jahre die Hauptstadt der
Abbasidenkalifen. - Wer kennt nicht die Geschichten um Harun al Raschid?!?
Bagdad wurde 1991 bombardiert und 1998 abermals. Das Leben hier hat keinen
hohen Wert. Der Golfkrieg von 1991 forderte ca. 100 000 Opfer. Jede Familie
hat Angehörige verloren.
Doch heute sind die meisten Trümmer beseitigt, neue Brücken überspannen
den Tigris. Gebäude von gigantischen Ausmaßen, monumental und repräsentativ,
wurden errichtet.
Aber auch verspielte, märchenhafte Plätze und Brunnen, wie zum Beispiel
der von Ali Baba und den 40 Räubern. Doch die gewaltigen Neubaugebiete
haben viel vom historischen Kern vernichtet. Der eingestürzte Funkturm
wurde durch einen neuen mit Drehrestaurant ersetzt.
Allerdings waren wir 11 allein im Lokal mit atemberaubendem Blick über
das nächtliche Lichtermeer von Bagdad, besonders angestrahlt Saddams
Paläste.
Hier sagte uns auch unser Führer, dass hinter der scheinbaren Gelassenheit
der Menschen - es ist alles von Allah vorherbestimmt - nackte Angst herrscht.
Angst vor einem Krieg, aber noch mehr Angst vor dem Danach. Er sagte, sie
seien noch nicht reif für eine Demokratie, sie befürchten Machtkämpfe
der reichen Familien, sie befürchten ein neues Afghanistan.
Wir besuchten auch den Bunker, in dem im April 1991 in den frühen Morgenstunden
durch zwei Bombentreffer 450 Frauen und Kinder starben. Der erste Treffer
zerfetzte sie und Minuten später wurden sie durch eine Brandbombe zu
Asche. Unser Fotograf, ein 27-jähriger Iraker brach bei diesem Anblick
weinend zusammen.
,,Bitte helfen Sie uns!" Diesen Satz hörten wir oft, nachdem unsere
Nationalität als Deutsche erkannt wurde. Dass wir durch unser Kommen,
,,5 Minuten vor 12" Solidarität für dieses Land zeigten, dankten
die Menschen uns von ganzem Herzen. Denn eigentlich hatten wir mit Vorbehalten
der Menschen uns gegenüber gerechnet.
Unsere Reise führte uns weiter in den Süden des Landes. Wir suchten
die Wiege unserer Zivilisation auf, Zentren der kulturellen Hochblüte
des alten Mesopotamien.
Ur, die Heimat Abrahams, in der Nähe der Stadt Basra durften wir
nur mit Militärschutz besuchen, es sind nur ca. 150 km bis zu dem amerikanischen
Aufmarschgebiet. Die Stille war bedrückend. Hier, wo einst der Garten
Eden lag, wo die Sumerer vor 5000 Jahren die Schrift erfanden, erschreckte
uns die Vorstellung, dass in ein paar Wochen nur noch der Wind über zerbombte
Ausgrabungsstätten wehen würde.
Borsippa, Kisch und Uruk, hier regierte der sagenhafte
König Gilgamesch. Babylon - das Reich der Babylonier, Namen wie Hammurabi
und Nebukadnezar, der Turm von Babel und die ,,hängenden Garten"
der Semiramis, eines der sieben Weltwunder. In den letzten 25 Jahren wurde
die Stadt mit großem Aufwand rekonstruiert, sodass man sich die Gebäude,
Paläste und Mauem dieser gewaltigen Stadt gut vorstellen kann.
Von hier aus schickten wir an Bundeskanzler Schröder, Außenminister
Fischer und Bundestagspräsident Thierse Karten mit der Bitte mitzuhelfen,
diesem Land mit seinen Menschen und unschätzbaren Kulturgütern den
Frieden zu erhalten (übrigens Joschka Fischer hat uns geantwortet
und uns versichert, alles zu tun, um diesen Krieg abzuwehren, da es diesen
Krieg für völlig falsch hält. Wir haben uns sehr über
die Antwort gefreut.).
In unserem Hotel in Hilla holte uns die Realität wieder ein. Wir
erfuhren von Engpässen in der Kinderversorgung, daher gab es nur Milchpulver
statt Milch zum Frühstück.
Auf den Märkten gibt es nach wie vor fast alles. Auch das Angebot in
den Lokalen war üppig, nicht nur für uns, ebenso für die Einheimischen.
Uns erschien der Preis im Restaurant sehr niedrig, doch die meisten Iraker
können es sich nicht leisten. Bedingt durch die starke Inflation bekamen
wir für ca. 30 Dollar eine ganze Tasche voll mit Geldscheinen. Der Dollar
ist übrigens nach wie vor ein wichtiges Zahlungsmittel.
Unsere Reise ging nun nach Norden, über Samarra mit dem berühmten
Spiralminarett nach Assur, der Hauptstadt verschiedener assyrischer
Reiche ab 1950 v. Chr., überragt von der Zikkurat, dem Tempelturm. Dann
weiter nach Nimrud - das Pariser Louvre-Museum und das britische Museum
in London sind voll von den riesigen Steinstatuen der geflügelten Stiere
mit Götterköpfen und Reliefplatten mit Darstellungen aus dem Leben
der Könige. Ninive - die gewaltigen Mauem und Tore erzählen von
einstiger Größe. Khorsabad - grasbewachsene Hügel, welche
die großen Schätze des Bagdader Museums bargen - riesige Reliefplatten
des Thronsaals von Sargon II.
Mossul, die zweitgrößte Stadt des Irak, liegt im Norden,
im Kurdengebiet. Seit ihren Aufständen nach 1991 ist der Druck von Saddam
auf die Kurden nicht kleiner geworden. Das nach der Einrichtung der UN-Schutzzone
im Norden proklamierte Kurdistan wurde von Bagdad nicht anerkannt.
Uneinigkeit der Kurdengruppen und ihre fehlende Lobby in der internationalen
Politik brachten Leid, Vertreibung und Bürgerkrieg. Und wie zufällig
befinden sich in diesem Gebiet die großten Erdölfelder!!
Auch in Mossul geht das Leben seinen gewohnten Gang.
Durch einen Krankheitsfall in unserer Gruppe bekamen wir Einblick in die medizinische
Versorgung. Ein Taxifahrer hat uns geraten, nicht das staatliche, sondern
ein privates Krankenhaus aufzusuchen, da dort alles viel besser wäre.
Ärzte und Schwestern waren sehr freundlich und hilfsbereit, doch der
Standard war wie während des zweiten Weltkriegs. Das Krankenzimmer war
ein kleiner spärlich eingerichteter Raum (siehe Foto links), in dem ein
Kerosinofen öligen Gestank verbreitetet.
Medikamente sind knapp und für Einheimische kaum erschwinglich. Vor allem
die Kinder leiden unter diesem Zustand. Unterernährung, wenig Widerstandskraft
gegen Krankheiten und verschmutztes Trinkwasser sind die Haupttodesursachen.
Seit dem Krieg ist die Wasserversorgung in einem kritischen Zustand, Hauptleitungen
sind leck, die Pumpen defekt. Auch der Strom fallt mehrmals am Tage aus.
Erstmals erlebten wir bettelnde Frauen und Kinder. Und immer wieder die Bitte
,,Helft uns, wir hoffen auf euer Land!"
Nördlich von Mossul besuchen wir zwei christliche Klöster in den
Bergen, die unter Saddams persönlichem Schutz stehen.
Es gibt ca. 4 % Christen im Irak, die Hälfte davon ist wieder mit Rom
uniert. Auch Angehörige der Sekte der Yezidi - früher auch Teufelsanbeter
genannt - leben in dieser Gegend. Man zählt etwa 300 000 Anhänger.
Über die Wüstenstadt Hatra, die zum Weltkulturerbe der UNESCO
zählt, geht es zurück nach Bagdad. Jetzt fallen uns überall
Militärlager auf; nur leicht getarnte Panzer und viele Flakgeschütze
und Granatwerfer. Allerdings macht das ganze Material einen vorsintflutlichen
Eindruck.
Ktesiphon mit dem gewaltigen Bogen des Sassanidenpalastes und die Zikkurat
von Aqar Quf demonstrieren noch einmal Macht und Vergänglichkeit.
Im Bagdad-Museum werden wir wieder mit der drohenden ' Kriegsgefahr konfrontiert.
Überall stehen die Metallkoffer für die Evakuierung der Schätze
aus allen Epochen. Doch die großen Ausstellungsstücke, die riesigen
Reliefs und Steinfiguren sind nicht in Sicherheit zu bringen.
So machen wir uns wieder bereit für eine lange Busfahrt in eisiger Kälte
nach Amman, denn in keinem Bus funktioniert eine Heizung.
Es macht einen hilflos, Freunde zurückzulassen, denen man nicht helfen
kann. Unser Fotograf sagte zum Abschied: ,,Ich hasse die Amerikaner nicht,
ich will keinen töten, ich möchte keiner amerikanischen Frau den
Mann, keinem Kind den Vater und keiner Mutter den Sohn nehmen. Doch wenn es
Krieg gibt, werde ich kämpfen müssen."
Wenn die Inspektoren noch länger im Irak bleiben, wird nochmals eine
Gruppe in den Irak fahren. Sie wollen dann Briefe von irakischen Schulkindern
an die First Lady von Amerika, in denen an ihre Menschlichkeit appelliert
wird, mit zurück nehmen.
Inshallah - wenn Gott will !
Für Interessenten an dieser Aktion folgende E - mail Adresse susanne.bauer@moneypenny.de
Dieser
Reisebericht entstand im Februar 2003.
Leider
haben die Inspektoren das Land verlassen und ein schrecklicher, unsinniger
Krieg hat stattgefunden.
Viele Befürchtungen unseres Reiseführers Adel sind eingetreten,
der im Januar 2003 bereits meinte: " ich habe Angst vor einem Krieg,
aber noch mehr Angst vor dem Danach. Der Irak ist noch nicht reif für
eine Demokratie. Ich befürchte Machtkämpfe der reichen Familien,
ich befürchte ein neues Afghanistan".
ausführliche Programmbeschreibung unserer einstigen Irak Reisen (leider können diese Reisen derzeit nicht mehr durchgeführt werden)
wichtiger Hinweis für Reisen in den Irak (sind heute nicht mehr aktuell!)